BGH IX 24/10
Urteil vom 16.12.10
Fassung InsO vor 01.07.14
Wer spielt
Um was es geht
Verlauf
Der Kläger gewährte der durch die beiden beklagten geschäftsführenden Gesellschafter vertretenen “D. GbR” (nachfolgend: GbR) durch Vertrag vom 15. Januar 2001 ein Darlehen über 350.000 DM. Die GbR übereignete vertragsgemäß Teile ihres Anlagevermögens zur Sicherung an den Kläger. Bereits zuvor hatte die GbR mit Vertrag vom 28. Dezember 1999 diese Betriebsmittel der V. bank (nachfolgend: V. bank) sicherungsübereignet.
Das am 8. Juli 2005 über das Vermögen der GbR eröffnete Insolvenzverfahren wurde am 28. Februar 2007 mangels Masse ohne Schlussverteilung aufgehoben. Die Beklagten zu 1 und 2 stellten jeweils am 1. Juni 2005 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen verbunden mit den weiteren Begehren auf Verfahrenskostenstundung und Restschuldbefreiung. Beide Insolvenzverfahren wurden am 8. Juli 2005 eröffnet. Dem Beklagten zu 1 wurde am 15. Januar 2007 und dem Beklagten zu 2 am 25. Oktober 2006 die Restschuldbefreiung angekündigt; zugleich wurden die Insolvenzverfahren aufgehoben.
Der Kläger meldete sowohl im Insolvenzverfahren über das Vermögen der GbR als auch in den Insolvenzverfahren über die Vermögen der Beklagten zu 1 und 2 eine Forderung über 150.334,06 € als Verbindlichkeit aus Darlehen an. Die Forderung wurde jeweils entsprechend festgestellt. Der Insolvenzverwalter der GbR setzte den Kläger durch Schreiben vom 2. Juli 2007 über die zeitlich vorrangig zu Gunsten der V. bank vereinbarte Sicherungsübereignung in Kenntnis und forderte den Kläger im Blick auf die vorrangigen Rechte der V. bank zur Erstattung des an ihn ausgekehrten Betrages von 4.549,65 € auf.
Der Kläger, der sich im Blick auf die zeitlich frühere Sicherungsübereignung an die V. bank getäuscht sieht, nimmt die Beklagten auf Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB) in Anspruch. Die Klage, mit der er zuletzt die Feststellung beantragt hat, dass eine Forderung in Höhe von 150.334,06 € auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung der Beklagten beruhe, ist in den Vorinstanzen abgewiesen worden. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Ergebnis
Die Revision bleibt ohne Erfolg; die Feststellungsklage ist jedenfalls unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Feststellungsklage fehle im Ergebnis das erforderliche Feststellungsinteresse. An einer Feststellung des Anspruchsgrundes bestehe nur so lange ein schutzwürdiges Interesse, als eine Ergänzung der Insolvenztabelle erreichbar sei. Dem Recht des Klägers drohe keine Unsicherheit mehr, weil eine nachträgliche Anmeldung der Forderung nach Aufhebung der Insolvenzverfahren nicht mehr möglich sei. Von der Restschuldbefreiung würden Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich unerlaubten Handlung nur dann nicht berührt (§ 302 Nr. 1 InsO), wenn der Gläubiger seine Forderung unter Angabe des Rechtsgrundes angemeldet habe (§ 174 Abs. 2 InsO). Dies sei hier nicht geschehen. Unterlasse der Gläubiger bei der Anmeldung den Hinweis auf den Rechtsgrund aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung, werde die Forderung von der Restschuldbefreiung erfasst. Dies gelte ohne Rücksicht auf ein etwaiges Verschulden des Gläubigers an der Nichtanmeldung. Eine Nachholung der Anmeldung sei dem Kläger verwehrt. Sie komme nur in Betracht, solange das Verfahren noch nicht aufgehoben sei. Da die Insolvenzverfahren über die Vermögen beider Beklagter aufgehoben worden seien, könne eine nachträgliche Anmeldung nicht mehr stattfinden.
II.
1. Die Zulässigkeit der von dem Kläger erhobenen Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) kann letztlich dahin stehen, weil sein Begehren jedenfalls unbegründet ist.
a) Vorliegend handelt es sich nicht um eine Feststellungsklage nach § 184 InsO.
Hat ein Gläubiger eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung angemeldet, so kann der Schuldner gegen den Bestand der Forderung oder beschränkt auf den Rechtsgrund der unerlaubten Handlung Widerspruch einlegen. Verfährt der Schuldner in dieser Weise, kann der Gläubiger nach § 184 InsO Klage auf Feststellung der Forderung gegen den Schuldner erheben (BGH, Urt. v. 18. Januar 2007 – IX ZR 176/05, WM 2007, 659 Rn. 8 ff; v. 18. Dezember 2008 – IX ZR 124/08, WM 2009, 313 Rn. 6 ff; v. 25. Juni 2009 – IX ZR 154/08, WM 2009, 1619 Rn. 6). Die Anmeldeobliegenheit nach § 174 Abs. 2 InsO und der Schuldnerwiderspruch nach § 175 Abs. 2 InsO öffnen den Weg zu einer Klage nach § 184 InsO (BGH, Urt. v. 18. Dezember 2008, aaO Rn. 12). Im Streitfall hat es der Kläger jedoch versäumt, seine Forderung unter dem Rechtsgrund der unerlaubten Handlung anzumelden. Mithin ist für eine Feststellungsklage nach § 184 InsO kein Raum.
b) Bei dieser Sachlage kommt hier nur eine allgemeine Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 18. Mai 2006 – IX ZR 187/04, WM 2006, 1347, 1348 Rn. 10).
aa) Der Klage kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ein Feststellungsinteresse nicht deshalb abgesprochen werden, weil kein Anspruch auf eine Ergänzung der Tabelle besteht.
(1) Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und wenn das Urteil auf die Feststellungsklage geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGHZ 69, 144, 147). Ein Interesse für die Klage auf Feststellung eines Anspruchs aus einer vorsätzlich unerlaubten Handlung liegt hier vor, weil damit geklärt werden kann, ob der Kläger die der Klage zugrunde liegende Forderung ungeachtet der fehlenden Anmeldung des Rechtsgrundes der unerlaubten Handlung noch nach Erteilung der Restschuldbefreiung gegenüber den Beklagten verfolgen kann (vgl. BGH, Urt. v. 18. Mai 2006, aaO).
(2) Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, der Klage fehle ein Feststellungsinteresse, weil dem Recht des Klägers mangels einer Möglichkeit zur Ergänzung der Tabelle keine Gefahr der Unsicherheit mehr drohe. Damit hat das Berufungsgericht aus der Unbegründetheit der begehrten Feststellung das Fehlen eines Feststellungsinteresses hergeleitet. Feststellungsinteresse und Begründetheit des Klagebegehrens sind jedoch voneinander zu trennen. Erweist sich das Klagebegehren als unberechtigt, kann daraus nicht auf ein fehlendes Feststellungsinteresse geschlossen werden (vgl. Zöller/Greger, ZPO 28. Aufl. Rn. 18 vor § 253).
bb) Es kann dahin stehen, ob ein gegenwärtiges Feststellungsinteresse an der Ungewissheit, ob die Beklagten nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode (§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO) überhaupt in den Genuss von Restschuldbefreiung gelangen werden, scheitert. Sofern es sich um eine Feststellungsklage nach § 184 InsO handelt, besteht kein Grund, den Streit über die Rechtsnatur der angemeldeten Forderung auf die Zeit nach Erteilung der Restschuldbefreiung zu verschieben (vgl. BGH, Urt. v. 18. Mai 2006, aaO; v. 18. Januar 2007, aaO Rn. 11; v. 12. Juni 2008 – IX ZR 100/07, WM 2008, 1509 Rn. 7; v. 18. Dezember 2008, aaO Rn. 12). Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob diese Erwägungen bei einer unterbliebenen Anmeldung auf eine allgemeine Feststellungsklage (§ 256 ZPO) übertragen werden können, weil sich das klägerische Begehren in der Sache als unbegründet erweist. Das Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist nur für ein stattgebendes Urteil Sachurteilsvoraussetzung (BGHZ 12, 308, 316; BGH, Urt. v. 14. März 1978 – VI ZR 68/76, NJW 1978, 2031, 2032; v. 2. Juli 2007 – II ZR 111/05, WM 2007, 1932 Rn. 66).
2. Die Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Infolge der Umgestaltung in eine unvollkommene Verbindlichkeit ist das Begehren auf Feststellung des Rechtsgrundes der unerlaubten Handlung und damit der Durchsetzbarkeit der Forderung nicht begründet. Nach Gewährung der Restschuldbefreiung werden die gegen die Beklagten verbliebenen Forderungen zu “unvollkommenen Verbindlichkeiten”, die weiterhin erfüllbar, aber nicht erzwingbar sind, herabgestuft (BGH, Beschl. v. 25. September 2008 – IX ZB 205/06, WM 2008, 2219 Rn. 11 m.w.N.). Dies gilt mangels einer Anmeldung unter Angabe des Rechtsgrundes der unerlaubten Handlung (§ 302 Nr. 1 InsO) auch für die Forderung des Klägers.
a) Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden gemäß § 302 Nr. 1 InsO Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht berührt, sofern der Gläubiger die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrunds nach § 174 Abs. 2 InsO angemeldet hat. Dies ist im Streitfall nicht geschehen.
Der Rechtsgrund des vorsätzlichen Delikts kann entsprechend § 142 Abs. 2 KO auch für eine bereits zur Tabelle festgestellte Forderung noch nachträglich beansprucht und mit einer Änderungsanmeldung gemäß § 177 Abs. 1 Satz 3 InsO in das Insolvenzverfahren eingeführt werden (BGH, Urt. v. 17. Januar 2008 – IX ZR 220/06, WM 2008, 650 Rn. 12; v. 18. Dezember 2008, aaO Rn. 13). Eine solche Änderungsanmeldung für die zugunsten des Klägers festgestellte Forderung ist nicht erfolgt. Darum kann dahinstehen, ob eine Änderungsanmeldung nur bis zum Schlusstermin (MünchKomm-InsO/Stephan, 2. Aufl. § 302 Rn. 10; Mohrbutter/Ringstmeier/Pape, Handbuch der Insolvenzverwaltung 8. Aufl. § 17 Rn. 201; allgemein für Schlusstermin als zeitliche Grenze jeder Anmeldung: Pape in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 174 Rn. 8; Uhlenbruck/Sinz, InsO 13. Aufl. § 177 Rn. 8) oder noch bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens (FK-InsO/Ahrens, 5. Aufl. § 302 Rn. 10b; allgemein für Verfahrensaufhebung als zeitliche Grenze jeder Anmeldung: MünchKomm-InsO/Nowak, aaO § 177 Rn. 2) nachgeholt werden kann.
b) Mangels einer Anmeldung unter dem Rechtsgrund einer unerlaubten Handlung erfasst die Restschuldbefreiung die von dem Kläger vorliegend geltend gemachte Forderung.
aa) Die Restschuldbefreiung wirkt gemäß § 301 Abs. 1 Satz 1 InsO gegen alle Insolvenzgläubiger. Wie § 301 Abs. 1 Satz 2 InsO klarstellt, gilt dies auch zu Lasten der Gläubiger, die ihre Forderung nicht angemeldet haben. Die Restschuldbefreiung erstreckt sich damit ohne Rücksicht auf ein insoweit eingreifendes Verschulden des Gläubigers auf eine nicht oder nicht rechzeitig angemeldete Forderung (MünchKomm-InsO/Stephan, aaO § 301 Rn. 10; FK-InsO/Ahrens, aaO § 301 Rn. 3; Uhlenbruck/Vallender, aaO § 301 Rn. 3; BK-InsO/Ley, Mai 2009 § 301 Rn. 4; Römermann in Nerlich/Römermann, InsO § 301 Rn. 11 ff; Wenzel in Kübler/Prütting/Bork, aaO § 301 Rn. 2; HK-InsO/ Landfermann, 5. Aufl. § 301 Rn. 6; Mohrbutter/Ringstmeier/Pape, aaO § 17 Rn. 189; HmbKomm-InsO/Streck, 3. Aufl. § 301 Rn. 2; Smid/Kiesbye, InsO 3. Aufl. § 301 Rn. 3; Graf-Schlicker/Kexel, InsO 2. Aufl. § 301 Rn. 2; Prziklang, Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung 2000 S. 78; Vallender ZIP 2000, 1288, 1290; a.A. Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung 1997 S. 241 ff; Wagner ZVI 2007, 9 ff). Daran anknüpfend kann sich ein Gläubiger nach dem eindeutigen Wortlaut des § 302 Nr. 1 InsO auf einen angeblichen Ausschluss seiner Forderung von der Restschuldbefreiung nicht mehr berufen, wenn es an der Eintragung der Anmeldung einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in der Tabelle fehlt (vgl. BT-Drucks. 14/5680 S. 28). Weist der Gläubiger bei der Anmeldung seiner Forderung nicht darauf hin, dass sie nach seiner Einschätzung auf einer unerlaubten Handlung beruht, so wird die Forderung nach der Gesetzesbegründung von einer Restschuldbefreiung erfasst (BT-Drucks. aaO S. 27; vgl. BGH, Beschl. v. 11. Mai 2010 – IX ZB 163/09, WM 2010, 1327 Rn. 6). Dies gilt nach zutreffender, ganz überwiegender Auffassung auch dann, wenn der Gläubiger die Forderung unverschuldet entweder gar nicht oder ohne Angabe der die unerlaubte Handlung begründenden Umstände angemeldet hat (MünchKomm-InsO/Stephan, aaO § 302 Rn. 10; FK-InsO/Ahrens, aaO § 302 Rn. 10b; Uhlenbruck/Vallender, aaO § 302 Rn. 14; BK-InsO/Ley, aaO § 302 Rn. 11 ff; Römermann in Nerlich/Römermann, aaO § 302 Rn. 4; Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, aaO § 302 Rn. 1b; HK-InsO/Landfermann, aaO § 302 Rn. 4; Mohrbutter/ Ringstmeier/Pape, aaO § 17 Rn. 201; HmbKomm-InsO/Streck, aaO § 302 Rn. 5; Smid/Kiesbye, aaO § 302 Rn. 8; Graf-Schlicker/Kexel, aaO § 302 Rn. 5; Braun/Lang, InsO 4. Aufl. § 302 Rn. 5 f; Preuss, Verbraucherinsolvenzverfahren und Restschuldbefreiung 2. Aufl. 2003 Rn. 304; a.A. Prütting/ Stickelbrock, ZVI 2002, 305, 307 f).
bb) Die gesetzliche Regelung des § 301 Abs. 1 Satz 2, § 302 Nr. 1 InsO sieht im Blick auf den Eintritt der Restschuldbefreiung keine Ausnahme zugunsten solcher Gläubiger vor, die schuldlos an der Anmeldung ihrer Forderung oder an der Angabe der eine unerlaubte Handlung begründenden Umstände gehindert waren (zutreffend Prütting/Stickelbrock, aaO S. 307). Da es sich bei den Anmeldefristen um keine Notfristen handelt, scheidet eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO, § 4 InsO) aus (Prütting/Stickelbrock, aaO; FK-InsO/Ahrens, aaO § 301 Rn. 3). Könnte sich ein Gläubiger nachträglich mit Erfolg darauf berufen, ohne Verschulden von dem Insolvenzverfahren oder seiner Forderung beziehungsweise den ihr zugrunde liegenden Umständen keine Kenntnis erlangt zu haben, wäre dies der mit der Regelung des § 301 Abs. 1 Satz 2, § 302 Nr. 1 InsO bezweckten Rechtssicherheit in hohem Maße abträglich (HK-InsO/Landfermann, aaO § 301 Rn. 6). Auch sonst muss es ein Gläubiger hinnehmen, dass eine verspätet angemeldete Forderung nicht bei der Verteilung berücksichtigt (vgl. BGH, Urt. v. 2. Juli 2009 – IX ZR 126/08, WM 2009, 1578) oder eine nicht angemeldete Forderung durch den Insolvenzplan gekürzt (§ 254 Abs. 1 Satz 1 und 3 InsO) wird.
cc) Eine besondere Schutzbedürftigkeit des am Insolvenzverfahren nicht teilnehmenden oder seine Forderung nicht ordnungsgemäß anmeldenden Insolvenzgläubigers ist nicht anzuerkennen. Infolge der öffentlichen Bekanntmachung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 30 Abs. 1, § 9 Abs. 1 InsO) ist jeder Gläubiger grundsätzlich in der Lage, von der Insolvenz eines Schuldners Kenntnis zu nehmen. Dadurch wird der Gläubiger in den Stand gesetzt, seine Forderung rechtzeitig anzumelden. Angesichts des Umstands, dass seit dem Jahr 1999 für natürliche Personen die Möglichkeit der Restschuldbefreiung gemäß §§ 286 ff InsO besteht, müssen Gläubiger seither verstärkt damit rechnen, dass auch ihr Schuldner einen Insolvenzantrag stellt (BGH, Beschl. v. 13. Juli 2006 – IX ZB 288/03, WM 2006, 1780 f Rn. 11). Der Gläubiger hat der ihm von dem Gesetzgeber ausdrücklich auferlegten Obliegenheit zu genügen, bei der Anmeldung darauf hinzuweisen, dass der von ihm beanspruchten Forderung eine unerlaubte Handlung des Schuldners zugrunde liegt (BT-Drucks., aaO S. 27). Kommt der Gläubiger dieser Obliegenheit nicht nach, hat er den in § 302 Nr. 1 InsO geregelten Rechtsnachteil zu tragen.
dd) An dieser Beurteilung ist auch dann festzuhalten, wenn ein Gläubiger seine Forderung oder – wie im Streitfall – den Rechtsgrund der unerlaubten Handlung unverschuldet verspätet anmeldet.
(1) Durch die Restschuldbefreiung wird dem Schuldner ein Weg eröffnet, auf dem er sich nach einem Insolvenzverfahren von seinen restlichen Verbindlichkeiten befreien kann (BT-Drucks. 12/2443 S. 187). Für den Schuldner würde es eine erhebliche Härte bedeuten, wenn er nach erfolgreichen Durchlaufen der Wohlverhaltensperiode erstmals mit einer aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung herrührenden Forderung konfrontiert würde (BT-Drucks. 14/5680 S. 27). Aus dieser Erwägung hat der Gesetzgeber dem Gläubiger die Obliegenheit auferlegt, bereits bei der Forderungsanmeldung darauf hinzuweisen, dass der von ihm beanspruchten Forderung eine unerlaubte Handlung zugrundeliegt. Versäumt der Gläubiger den Hinweis auf den Rechtsgrund der unerlaubten Handlung, so wird die Forderung folgerichtig gemäß § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung erfasst (BT-Drucks., aaO).
(2) Im Blick auf die Reichweite der Restschuldbefreiung auch für nicht oder nicht unter dem Rechtsgrund der unerlaubten Handlung angemeldete Forderungen gibt der Gesetzgeber mit der Regelung des § 301 Abs. 1 Satz 2, § 302 Nr. 1 InsO auf der Grundlage der ihm zustehenden normativen Gestaltungsfreiheit dem Grundsatz der Rechtssicherheit in Einklang mit Art. 19 Abs. 4 GG den Vorrang gegenüber Erwägungen der materiellen Gerechtigkeit (vgl. BVerfGE 60, 253, 268). Rechtssicherheit soll binnen einer angemessenen Frist hergestellt werden; dies gilt auch dann, wenn – wie vorliegend bei der Forderungsanmeldung – unmittelbar kein Gerichtsverfahren angestrengt wird (vgl. BVerfGE 60, 253, 269). Mit Hilfe der Regelung des § 301 Abs. 1 Satz 2, § 302 Nr. 1 InsO soll sowohl dem Schuldner als auch seinen Gläubigern möglichst schnell Gewissheit über die Reichweite der Restschuldbefreiung zuteil werden (vgl. BVerfGE 60, 253, 270). Die Obliegenheit der Forderungsanmeldung ist überdies ein geeignetes Mittel, zur Beschleunigung des Verfahrens beizutragen, weil sie im Interesse aller Beteiligten eine alsbaldige Klarstellung der Rechtslage fördert. Erfolgt eine Anmeldung unter dem Rechtsgrund der unerlaubten Handlung, ist nach dem Widerspruch des Schuldners für den Gläubiger sogleich der Weg zu einer Feststellungsklage nach § 184 InsO eröffnet (BGH, Urt. v. 18. Mai 2006, aaO; v. 18. Januar 2007, aaO; v. 12. Juni 2008, aaO; v. 18. Dezember 2008, aaO S. 314 Rn. 12). Auf diese Weise kann der Rechtsgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nach einer Beweisaufnahme und der Einvernahme von Zeugen, denen der Sachverhalt noch unmittelbar im Gedächtnis haftet, auf einer hinreichend frischen Tatsachengrundlage festgestellt werden. Auch die Güte der Entscheidung wird mithin tendenziell von der durch die Obliegenheit der Forderungsanmeldung veranlassten Zügigkeit des Verfahrens beeinflußt (vgl. BVerfGE 60, 253, 271).
(3) Abgesehen von der Regelung des § 302 Nr. 1 InsO müssen Gläubiger auch sonst im Restschuldbefreiungsverfahren einen Rechtsverlust hinnehmen, sofern sie formellen Obliegenheiten nicht genügen. Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung im eröffneten Insolvenzverfahren müssen gemäß § 290 Abs. 1 InsO im Schlusstermin gestellt werden. Ein nach dem Schlusstermin gestellter Antrag, mit dem einer der Versagungsgründe des § 290 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 InsO geltend gemacht wird, ist unzulässig (BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2008 – IX ZB 53/08, WM 2008, 2301, 2302 Rn. 9). Dies gilt auch dann, wenn der Gläubiger von dem zur Begründung seines Antrags herangezogenen Fehlverhalten des Schuldners erst nach dem Schlusstermin erfahren hat (BGH, aaO Rn. 10). Das Nachschieben einer Begründung ist auch bei nachträglicher Kenntniserlangung schlechthin unzulässig. Das Gericht darf die Versagung nicht von Amts wegen auf andere Gründe stützen als die vom Antragsteller geltend gemachten (BGH, Beschl. v. 12. Februar 2009 – IX ZB 158/08, WM 2009, 714, 715 Rn. 6). Ebenso bleibt ein Versagungsantrag unberücksichtigt, wenn es – gleich aus welchen Gründen – an einer Glaubhaftmachung des Versagungsgrundes im Schlusstermin fehlt; sie kann nicht in späteren Verfahrensabschnitten nachgeschoben werden (BGH, Beschl. v. 14. Mai 2009 – IX ZB 33/07, WM 2009, 1294 Rn. 5, 6).
c) Falls die Beklagten die Forderung des Klägers zwecks Erreichung der Restschuldbefreiung bewusst verschwiegen hätten, käme ein Ersatzanspruchaus § 826 BGB in Betracht (BGH, Beschl. v. 6. November 2008 – IX ZB 34/08, NZI 2009, 66 Rn. 11). Ein solcher Sachverhalt ist nicht vorgetragen.
Überraschungen
keine
LG Mönchengladbach, Entscheidung vom 04.03.2009 – 6 O 179/08 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 27.01.2010 – I-15 U 195/09 -