BGH IX ZB 8/25
Beschluss vom 15.05.25
InsO Fassung ab dem 01.11.22
Wer spielt
Gläubiger stellt Versagungsantrag, Schuldner gewinnt. Deggendorf
Um was es geht
- Rechtsbeschwerde § 574 ZPO
- Zurückverweisung
- Keine fiktive Gesamtstrafenbildung bei Bankrottstraftaten durch das Insolvenzgericht außer in den 3 im Gesetz angelegten Fällen.
Verlauf
Ein Insolvenzgläubiger stellt den Versagungsantrag aufgrund verurteilter Bankrottstraftat. Und er gewinnt zunächst beim Insolvenzgericht als auch beim Beschwerdegericht.
Es ist pures Glück für den Insolvenzschuldner, dass das falsche Beschwerdegericht entschieden hat, da (nur) so der Fall – wegen der Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebots des gesetzlichen Richters – vor den BGH landet.
Diese Chance ergreift der BGH – wie so oft und gern – und regt die inhaltliche Korrektur der Entscheidung an.
Ergebnis
Mit einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Bankrott gemäß der Straftaten nach den §§ 283 bis 283c StGB soll die Redlichkeit des Insolvenzschuldners für die Dauer von 5 Jahren bis zum Antrag auf Restschuldbefreiung untergehen. Die Restschuldbefreiung ist gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu versagen. Aber auf das Strafmaß kommt es an
Die Regelung gemäß 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO greift erst, wenn ein Mindeststrafmaß von mehr als 90 Tagessätzen (TS) – oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten – erreicht ist. Die Frage war, wie muss gerechnet werden, wenn aus mehreren Straftaten eine Gesamtstrafe gebildet wurde, die einzelne Bankrottstraftat aber 90 Tagessätze nicht überschritt.
Die Bildung einer Gesamtstrafe
Die Bildung einer Gesamtstrafe ist nie die Summe der Einzelstrafen. Die zusammenfassende Würdigung der Person des Täters und der einzelnen Straftaten muss bei der “Zusammenrechnung” einfließen.
Drei Rechenfälle, nicht mehr
Während die Instanzgerichte das Gesetz oft nicht im Wortlaut anwenden wollten und gerne in richterlicher Macht zu einer fiktiven Berechnungen griffen – so auch in diesem Fall – hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung, BGH, Beschluss vom 15.05.2025, IX ZB 8/25, das Gesetz am Wortlaut gelesen und die Versagung der Restschuldbefreiung auf drei Rechenfälle beschränkt:
- Die Verurteilung der einzelnen Bankrottstraftat überschreitet 90 TS
- Die Summe der einzelnen Bankrottstraftaten überschreiten 90 TS, wenn ausschließlich Einzelstrafen wegen Straftaten nach den §§ 283 bis 283c StGB eingeflossen sind.
- Die Gesamtstrafenbildung enthält mindestens eine Bankrottstraftat, die 90 TS überschreitet.
In Bezug auf die Verurteilung zur Freiheitsstrafe gilt dies entsprechend.
Überraschungen
Das Ergebnis ist zu begrüßen, ist doch die Rechtsfolge für den Insolvenzschuldner gravierend und die extensive Auslegung der Insolvenzgerichte alles andere als sauber begründet – es war eine verdeckte Machtwillkür im Grunde, wenn man so will.
Überraschend aber ist, dass es für solche Grundsatzentscheidungen keinen direkten Zugang zum BGH gibt. Zumindest für den Hoffnungsvollen.
AG Deggendorf, Entscheidung vom 02.05.2024 – 1 IK 163/23 -
LG Deggendorf, Entscheidung vom 06.09.2024 – 12 T 88/24 -