BGH IX ZB 272/11

Beschluss vom 16.05.13
Fassung InsO vor 01.07.14

Wer spielt

Um was es geht

Verlauf

Der damals in Bichl lebende Schuldner stellte im Februar 2004 einen Insolvenzantrag und einen Antrag auf Restschuldbefreiung. Im Mai 2004 zog er zur Arbeitsaufnahme nach Dubai um. Eine ladungsfähige Anschrift hinterließ er nicht. Im Juli 2004 wurde in Deutschland das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet und Rechtsanwältin B. zur Insolvenzverwalterin bestellt. Diese konnte vom Schuldner nur ein Postfach in Dubai und eine E-Mail-Anschrift in Erfahrung bringen.

Nach Durchführung des Schlusstermins, an dem der Schuldner nicht teilnahm, kündigte das Insolvenzgericht ihm im Oktober 2007 die Restschuldbefreiung an und bestellte die bisherige Insolvenzverwalterin zur Treuhänderin. Durch Beschluss vom 23. November 2007 hob es das Insolvenzverfahren auf. Im Januar 2009 forderte die Treuhänderin den Schuldner mit einem an seine Postfachanschrift in Dubai gerichteten Schreiben unter Fristsetzung auf, die Mindestvergütung für das Jahr 2008 zu entrichten. Eine Reaktion des Schuldners erfolgte nicht.

Im Mai 2009 kehrte der Schuldner nach Deutschland zurück; seit dem 12. Mai 2009 ist er unter einer Anschrift in Nürnberg gemeldet. Seine neue Anschrift verschickte er mittels E-Mail an die Treuhänderin und das Insolvenzgericht. Diese E-Mails kamen bei den Adressaten nicht an: Die Treuhänderin hatte seit Anfang des Jahres 2009 eine neue dem Schuldner nicht bekannte E-Mail-Adresse, die alte war gelöscht; die E-Mail-Anschrift des Insolvenzgerichts, die der Schuldner dem Internetportal der bayerischen Justiz entnommen hatte, war falsch.

Sowohl die Treuhänderin wie auch das Insolvenzgericht schrieben in der Folgezeit wegen der Mindestvergütung der Treuhänderin an den Schuldner unter der letzten ihnen bekannten Anschrift in Dubai. Eine Reaktion erfolgte nicht. Im April 2010 forderte die Treuhänderin den Schuldner unter Fristsetzung auf, nunmehr auch die für das Jahr 2009 angefallene Vergütung zu begleichen. 2 Wieder erfolgte keine Reaktion des Schuldners. In Folge beantragte die Treuhänderin, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Daraufhin schrieb das Insolvenzgericht am 16. Juli 2010 den Schuldner unter seiner Postfachadresse in Dubai erneut an und forderte ihn unter Fristsetzung zur Stellungnahme zum Versagungsantrag und zur Zahlung der Treuhändervergütung auf. Dieses Schreiben kam am 11. August 2010 mit dem Aufdruck zurück, das Postfach sei geschlossen worden.

Durch Beschluss vom 3. September 2010 hat das Insolvenzgericht dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt. In der Annahme, der Schuldner sei unbekannten Aufenthalts, hat es die öffentliche Bekanntmachung angeordnet. Die Veröffentlichung ist am 9. September 2010 erfolgt. Der Schuldner will erst am 17. März 2011 von der Versagung der Restschuldbefreiung erfahren haben; mit am 31. März 2011 beim Insolvenzgericht eingegangenem Schriftsatz hat er sofortige Beschwerde eingelegt und vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag wie die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Schuldner mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Restschuldbefreiung erreichen möchte.

Ergebnis

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 6, 7 aF, § 298 Abs. 3, § 296 Abs. 3 Satz 1 InsO, Art. 103f EGInsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Sie hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die sofortige Beschwerde sei verfristet. Der Versagungsbeschluss sei mit den Wirkungen des § 9 Abs. 3 InsO öffentlich bekannt gemacht worden. Die Beschwerdefrist sei deswegen Ende September 2010 abgelaufen. Darauf, ob die neue Anschrift des Schuldners in Deutschland sich dem Insolvenzgericht nach genauerer Lektüre der Akten erschlossen hätte und ob das Gericht den aktuellen Aufenthalt des Schuldners von Amts wegen hätte ermitteln müssen, komme es deswegen nicht an.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei unzulässig, weil er nicht innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist bei Gericht eingegangen sei. Bestehe das Hindernis darin, dass eine Partei keine Kenntnis von einem Beschluss habe, gegen den sie Rechtsmittel einlegen wolle, sei das Hindernis behoben, sobald sie Kenntnis von dem Beschluss erhalte. Voraussetzung sei jedoch zwingend, dass diese Unkenntnis von dem Beschluss unverschuldet gewesen sei. Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen. Der Schuldner hätte die E-Mails nicht nur verschicken, sondern den Eingang bei den Adressaten kontrollieren müssen. Selbst wenn die Möglichkeit bestehe, dass bei dem Schuldner eine Fehlermeldung über den nicht erfolgten Zugang der E-Mails nicht eingegangen sei, hätte er nach Ablauf einer gewissen Zeit bei den Empfängern nachfragen müssen. Nur auf diese Weise hätte er im anfälligen E-Mail-Verkehr die Gewissheit erlangen können, dass seine E-Mails tatsächlich angekommen seien. Er hätte nicht monatelang abwarten dürfen, ohne etwas von der Treuhänderin oder dem Insolvenzgericht zu hören, zumal die Zeit der Abtretungserklärung im Juli 2010 abgelaufen sei.

2. Diese Ausführungen halten zumindest im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Im Ergebnis mit Recht ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die öffentliche Bekanntmachung des Versagungsbeschlusses nach § 9 Abs. 3 InsO die Wirkung einer Zustellung hatte, mithin das Rechtsmittel gegen den Versagungsbeschluss im März 2011 verfristet war. Da der Versagungsbeschluss am 9. September 2010, einem Donnerstag, veröffentlicht worden ist, gilt die öffentliche Bekanntmachung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO in Verbindung mit § 4 InsO, § 187 Abs. 1 BGB, § 222 ZPO am Dienstag, den 14. September 2010, 0.00 Uhr als bewirkt. Die Beschwerdefrist endete deswegen am 28. September 2010. Denn das Insolvenzgericht durfte die Versagungsentscheidung öffentlich bekanntmachen, weil der Schuldner unbekannten Aufenthalts war und deswegen an ihn jedenfalls nicht besonders zugestellt werden musste (§ 8 Abs. 2 Satz 1 InsO).

aa) Zu der Frage, wann das Insolvenzgericht im Hinblick auf die sich aus § 5 Abs. 1 InsO ergebende Amtsermittlungspflicht davon ausgehen darf, dass eine Person, an die zugestellt werden muss, unbekannten Aufenthalts ist, wird teils die Ansicht vertreten, dies sei nur unter den Voraussetzungen der Fall, unter denen nach § 185 Nr. 1 ZPO eine öffentliche Zustellung erfolgen könne (FK-InsO/Schmerbach, 7. Aufl., § 8 Rn. 28; zu den Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung bei unbekanntem Aufenthalt eines Beklagten vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2012 – XII ZR 94/10, NJW 2012, 3582 Rn. 16 ff; Beschluss vom 6. Dezember 2012 – VII ZR 74/12, RPfleger 2013, 223 Rn. 16 mwN). Nach anderer Auffassung muss das Insolvenzgericht lediglich zumutbare Nachforschungen unternehmen, wobei einerseits es für ausreichend angesehen wird, dass es aktuelle Auskünfte des für den letzten bekannten Wohnort des Schuldners zuständigen Einwohnermelde- und Postamts einholt (MünchKomm-InsO/ Ganter, 2. Aufl., § 8 Rn. 27; HmbKomm-InsO/Rüther, 4. Aufl., § 8 Rn. 10; Ahrens in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 8 Rn. 24; vgl. für die öffentliche 10 Zustellung in der Einzelvollstreckung BGH, Beschluss vom 14. Februar 2003 – IXa ZB 56/03, NJW 2003, 1530 f), andererseits zusätzlich eine Nachfrage etwa beim Arbeitgeber oder Vermieter verlangt wird (vgl. Pape/Uhländer/Rost, InsO, § 8 Rn. 6; Uhlenbruck/Pape, InsO, 13. Aufl., § 8 Rn. 5).

bb) Das Insolvenzgericht ist im Restschuldbefreiungsverfahren jedenfalls in der Wohlverhaltensperiode nicht verpflichtet, Nachforschungen nach dem Wohnsitz des Schuldners anzustellen. Im Eröffnungsverfahren, im eröffneten Verfahren und in der Wohlverhaltensperiode treffen diesen nach § 20 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO besondere Auskunfts- und Mitwirkungspflichten.

Nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO kann dem Schuldner nach Durchführung des Schlusstermins die Restschuldbefreiung versagt werden, wenn er seinen Auskunftspflichten im Eröffnungsverfahren- und im eröffneten Verfahren nicht nachgekommen ist (BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2004 – IX ZB 72/03, NZI 2005, 232 f; vom 15. November 2007 – IX ZB 159/06, nv Rn. 8). Insbesondere muss er jeden Wohnsitzwechsel von sich aus mitteilen. Der Versagungstatbestand ist in diesem Fall erfüllt, wenn sich ein Schuldner an einen unbekannten Ort im Ausland absetzt. Allerdings muss er seinen Auskunftspflichten über einen längeren Zeitraum nicht nachkommen und dies muss nennenswerte Auswirkungen auf das Verfahren haben (BGH, Beschluss vom 3. Juli 2008 – IX ZB 181/07, ZInsO 2008, 975 Rn. 9). Dabei setzt die Versagung der Restschuldbefreiung wegen Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten eine konkrete Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger nicht voraus (BGH, Beschluss vom 8. Januar 2009 – IX ZB 73/08, NZI 2009, 253 Rn. 10; vgl. auch D. Fischer in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 290 12 Rn. 74; FK-InsO/Ahrens, 7. Aufl., § 290 Rn. 56; Pape in Pape/Uhländer, InsO § 290 Rn. 61).

In der Wohlverhaltensperiode trifft den Schuldner die Obliegenheit, jeden Wohnsitzwechsel dem Insolvenzgericht unverzüglich, das heißt etwa binnen zwei Wochen anzuzeigen (§ 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Die monatelange Nichtanzeige einer Wohnsitzverlegung rechtfertigt die Versagung der Restschuldbefreiung (BGH, Beschluss vom 11. Februar 2010 – IX ZA 46/09, NZI 2010, 489 Rn. 2). Nach der Gesetzesbegründung sollte die Anzeige jedes Wohnsitzwechsels dem Treuhänder und dem Insolvenzgericht ermöglichen, das Verhalten des Schuldners ohne großen eigenen Untersuchungsaufwand zu überwachen und zu überprüfen (BT-Drucks. 12/2443, S. 192 zu § 244 RegE-InsO). Mit der Mitteilungspflicht sollte sichergestellt werden, dass der Schuldner für den Treuhänder und das Insolvenzgericht jederzeit erreichbar ist. Entscheidend ist, wo sich der Schuldner tatsächlich aufhält und auf dem Postweg oder persönlich erreichbar ist (BGH, Beschluss vom 8. Juni 2010 – IX ZB 153/09, NZI 2010, 654 Rn. 12 ff; vgl. Weinland in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 295 Rn. 32; FK-InsO/Ahrens, aaO, § 295 Rn. 53 ff). Folge der Verletzung der Auskunftsobliegenheit ist, dass der fehlende Zugang außer Betracht zu bleiben hat, wenn Auskunftsverlangen des Treuhänders einem Schuldner deswegen nicht zugehen (BGH, Beschluss vom 8. Juni 2010, aaO Rn. 24).

Wenn Sinn der Auskunftsobliegenheit nach § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO die jederzeitige Erreichbarkeit des Schuldners ist, sind dem Insolvenzgericht dann, wenn der Schuldner seinen Mitteilungsobliegenheiten nicht nachkommt, besondere Ermittlungspflichten nach dem Aufenthaltsort des Schuldners nicht aufzuerlegen. Bei Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen (mit dem Ziel der Restschuldbefreiung) handelt es sich um Massenverfahren. Ein 14 reibungsloser Ablauf ist hier nur gewährleistet, wenn der Schuldner mindestens seiner Obliegenheit nachkommt, jederzeit erreichbar zu sein, ohne dass Einwohnermeldeamtsanfragen und sonstige Nachforschungen erfolgen müssen (vgl. AG Göttingen, NZI 2010, 115, 116).

cc) Im Streitfall ist der Schuldner seiner Auskunftsobliegenheit weder im Eröffnungsverfahren, im eröffneten Verfahren noch in der Wohlverhaltensperiode nachgekommen.

Der Schuldner hat der späteren Insolvenzverwalterin im Eröffnungsverfahren nur mitgeteilt, zur Arbeitsaufnahme nach Dubai ausgereist zu sein. Eine Wohnanschrift im Ausland hat er nicht bekannt gegeben. Die spätere Insolvenzverwalterin hat nur eine Postfachanschrift beziehungsweise E-Mail-Adressen in Erfahrung bringen können. Im eröffneten Verfahren hat sich der Schuldner nur im Dezember 2005 mit der Insolvenzverwalterin in Verbindung gesetzt; zu weiteren Kontakten ist es weder im eröffneten Verfahren noch in der Treuhandperiode gekommen.

Die Verbindungsaufnahme mit dem Schuldner gestaltete sich schwierig. An das Postfach gerichtete Schreiben blieben unbeantwortet. Dass diese Schreiben sämtlich nicht ankamen oder der Schuldner von ihnen keine Kenntnis erhielt, war für die Insolvenzverwalterin und spätere Treuhänderin und das Insolvenzgericht nicht erkennbar, weil die mit einfacher Post verschickten Schreiben bis zum Jahr 2010 nicht zurückkamen. Die Treuhänderin erhielt im Jahr 2009 ein Einschreiben als nicht zustellbar zurück, das Insolvenzgericht das letzte Schreiben im Jahr 2010 mit dem Vermerk, das Postfach sei geschlossen worden. Wenn es zutrifft, dass der Schuldner, wie er eidesstattlich versichert hat, keine Schreiben erhielt, hätte ihm auffallen müssen, dass ihn Post über das 16 Postfach nicht sicher erreichte. Er hätte aber dafür Sorge tragen müssen, dass er für das Insolvenzgericht und die Treuhänderin erreichbar war. Dies ergibt sich sowohl aus § 97 InsO als auch aus § 295 InsO.

Der Schuldner ist seiner Auskunftsobliegenheit aus § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO auch nicht durch die Versendung der E-Mails an nicht vorhandene E-Mail-Adressen nachgekommen, wie die Rechtsbeschwerde unter Hinweis auf eine Kommentarstelle meint (MünchKomm-InsO/Ehricke, 2. Aufl., § 295 Rn. 75; vgl. auch FK-InsO/Ahrens, aaO, § 295 Rn. 53; Pape in Pape/Uhländer, InsO, § 295 Rn. 23). Ein Schuldner kommt der Obliegenheit aus § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO, jeden Wohnsitzwechsel unverzüglich mitzuteilen, nicht dadurch nach, dass er die Erklärungshandlung vornimmt, sondern die Erklärung muss der Treuhänderin oder dem Insolvenzgericht auch zugegangen sein (vgl. für §§ 121, 130 BGB BGH, Urteil vom 11. Oktober 1974 – V ZR 25/73, NJW 1975, 39). Dies war hier nicht der Fall.

dd) Mithin musste das Insolvenzgericht – im Hinblick auf den letzten ihm bekannten Wohnort des Schuldners in Deutschland (Bichl/Bayern) – keine Auskünfte bei dem in Bayern seit dem Jahr 2007 installierten Behördeninformationssystem einholen, durch das Daten der bei einer bayerischen Gemeinde gemeldeten Einwohner zentral gesammelt werden, um den Wohnsitz des Schuldners zu ermitteln. Gegen die Anwendung des § 8 Abs. 2 InsO spricht auch nicht, dass sich aus den Anlagen zu einem Schriftsatz eines Gläubigers des Schuldners ergab, dass dieser im Jahr 2010 gegen den Schuldner unter seiner aktuellen Anschrift vollstreckt und der Gerichtsvollzieher Kontakt zu ihm hatte. Die Anlagen zu diesem Schriftsatz hat das Insolvenzgericht ersichtlich nicht zur Kenntnis genommen und musste es auch nicht zur Kenntnis nehmen. Denn aus dem Schriftsatz selbst war nicht ersichtlich, dass der Gläubiger im Jahr 2010 gegen den Schuldner vollstreckt hatte und ihm dessen aktuelle Anschrift bekannt war. Mit dem Schriftsatz hatte der Gläubiger, der am Insolvenzverfahren nicht beteiligt war, einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gestellt. Da dieser Versagungsantrag von vornherein unstatthaft war (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2008 – IX ZB 16/08, ZInsO 2009, 52 Rn. 2), hatte das Insolvenzgericht keinen Anlass, die Anlagen zu überprüfen.

b) Mit Recht hat das Beschwerdegericht dem Schuldner keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Nichteinhaltung der Beschwerdefrist gewährt (§ 4 InsO, § 233 ZPO).

Allerdings war der Wiedereinsetzungsantrag nach § 234 Abs. 1 ZPO zulässig, weil er innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist gestellt worden ist. Der Schuldner hat glaubhaft gemacht, dass er von dem Versagungsbeschluss erst am 17. März 2011 erfahren hat; dann aber lief die Wiedereinsetzungsfrist bis zum 31. März 2011. Innerhalb der Frist hat er die sofortige Beschwerde eingelegt und Wiedereinsetzung beantragt. Hiergegen spricht nicht die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass das Hindernis nach § 234 Abs. 2 ZPO behoben ist, sobald die bisherige Ursache der Verhinderung beseitigt oder ihr Fortbestehen nicht mehr unverschuldet ist (BGH, Beschluss vom 16. Februar 1987 – II ZB 2/87, VersR 1987, 764; vom 18. September 1991 – XII ZB 51/91, FamRZ 1992, 48, 49; vom 30. April 1997 – XII ZB 36/96, FamRZ 1997, 997, 998). Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich entgegen den Ausführungen der angefochtenen Entscheidung jedoch nicht, dass nur bei unverschuldeter Unkenntnis von der anzufechtenden Entscheidung ein zulässiger Wiedereinsetzungsantrag gestellt werden könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 30. April 1997, aaO).

Zutreffend ist jedoch die Ansicht des Beschwerdegerichts, dass der Schuldner nicht ohne Verschulden gehindert war, die Notfrist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde einzuhalten (§ 233 Abs. 1 ZPO); deswegen ist sein Wiedereinsetzungsantrag unbegründet. Denn es gereicht ihm zum Verschulden, dass er von der Zustellung des Versagungsbeschlusses keine Kenntnis hatte. Er hat das Insolvenzverfahren und das Restschuldbefreiungsverfahren durch eigene Anträge eingeleitet. Er wusste nach eigenem Vortrag zumindest, dass das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren im Jahr 2004 eröffnet hatte. Weitere Kenntnisse vom Stand des Verfahrens besaß er nicht, weil er nach seiner Ausreise nach Dubai sich um die Verfahren nicht gekümmert und er nicht hinreichend dafür Sorge getragen hat, dass ihn die Post der Treuhänderin und des Insolvenzgerichts in Dubai erreichen konnte. Mit der Angabe eines Postfaches kam er seinen Obliegenheiten nicht nach, weil ihn nach eigenen Angaben die an das Postfach geschickten Sendungen nicht erreicht haben. Es musste ihm deswegen klar sein, dass er für die Insolvenzverwalterin und das Insolvenzgericht nicht sicher postalisch erreichbar war (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Oktober 1990 – V ZB 7/90, NJW 1991, 109; BVerwG, NJW 1994, 1672 f). Dennoch hat er sich nicht bemüht, Verbindung zu diesen aufzunehmen und eine sichere ladungsfähige Anschrift mitzuteilen. Nachdem er im Jahr 2009 nach Deutschland zurückgekehrt ist, hat er nur zwei E-Mails an die Treuhänderin und das Gericht gerichtet, die ihre Empfänger nicht erreicht haben. Von Mai 2009 bis zum Versagungsbeschluss aus dem Monat September 2010 hat sich der Schuldner um sein Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren weiterhin nicht gekümmert. Dazu hätte umso mehr Anlass bestanden, als er Anfang 2010 die Vollstreckung eines Gläubigers unter Hinweis auf das bestehende Insolvenzverfahren verhinderte und im Sommer 2010 die Laufzeit der Abtretungserklärung abgelaufen war (vgl. BayObLG, NJW-RR 1988, 509; MünchKomm-23 ZPO/Gehrlein, 4. Aufl., § 233 Rn. 30). Ohne Rechtsfehler verweist das Beschwerdegericht den Schuldner daher darauf, dieser hätte sich jedenfalls spätestens bis zum Sommer 2010 bei der Treuhänderin oder dem Insolvenzgericht nach dem Stand des Verfahrens und dem Eingang seiner E-Mails erkundigen müssen, zumal die Korrespondenz mittels E-Mails nicht in jeder Hinsicht zuverlässig erscheint.

Den Schuldner entlastet es nicht, dass ihm die neue E-Mail-Adresse der Treuhänderin nicht bekannt war. Er durfte nach einer fünfjährigen Verfahrensdauer nicht darauf vertrauen, dass sich deren Kontaktdaten zwischenzeitlich nicht geändert hatten. Die Treuhänderin selbst konnte den Schuldner über die geänderten Kontaktdaten nicht informieren, weil ihre Schreiben an die Postfachanschrift in Dubai ihn nicht erreichten. Ebenso wenig entschuldigt es ihn, dass er die nicht zutreffende E-Mail-Adresse des Insolvenzgerichts dem Internetportal der bayerischen Justiz entnommen hat. Allerdings hat ein Schuldner nur für eigenes Verschulden und das seines Vertreters (§ 51 Abs. 2, § 85 Abs. 2 ZPO) einzustehen. Insbesondere ist ihm Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn Gerichtsfehler für die Fristversäumung mitursächlich geworden sind (MünchKomm-ZPO/Gehrlein, aaO, § 233 Rn. 26 mwN). Dem Schuldner wird in 24 diesem Zusammenhang jedoch nicht die Versendung der E-Mail an die unzutreffende E-Mail-Adresse des Insolvenzgerichts zur Last gelegt, sondern sein späteres Untätigbleiben.

Überraschungen

keine

AG Wolfratshausen, Entscheidung vom 03.09.2010 – 2 IN 61/04 -
LG München II, Entscheidung vom 12.10.2011 – 7 T 2331/11 und 7 T 2762/11

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