BGH IX ZB 37/04

Beschluss vom 03.02.05
Fassung InsO vor 01.07.14

Wer spielt

Um was es geht

Verlauf

Die Schuldnerin beantragte am 18. November 2002 die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über ihr Vermögen, die Restschuldbefreiung sowie die Stundung der Verfahrenskosten. Das Amtsgericht -Insolvenzgericht gab ihr “ergänzend zum Insolvenzantrag” auf, “binnen 4 Wochen … den Grund der derzeitigen schlechten Wirtschaftslage (durch was sind hohe Schulden entstanden? -welcher Umstand hat zur Unmöglichkeit der Tilgung geführt?) erläutern und darlegen, sowie eidesstattlich versichern zu lassen”. Die Schuldnerin stellte sich auf den Standpunkt, zu weiteren Auskünften nicht verpflichtet zu sein.

Daraufhin hat das Amtsgericht den Stundungsantrag abgelehnt, weil die Schuldnerin vorsätzlich oder grob fahrlässig unvollständige Angaben gemacht habe. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen die Ablehnung hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich diese mit ihrer Rechtsbeschwerde.

Ergebnis

Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 7 InsO) Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.

1.Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung zu Unrecht auf § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO gestützt. Wie der Senat mit Beschluß vom 16. Dezember 2004 (IX ZB 72/03, z.V.b.) im einzelnen ausgeführt hat, kann die Stundung zwar auch bei Vorliegen eines anderen als der in § 290 Abs. 1 Nr. 1 und 3 InsO genannten Versagungsgründe ausgeschlossen sein; dies trifft insbesondere auf § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO zu. Auf diese Vorschrift kommt es jedoch nicht an, soweit es allein darum geht, ob der Schuldner zu seinem Antrag gemäß § 4a InsO hinreichende Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat. Reichen die Angaben nicht aus, um über den Stundungsantrag zu entscheiden, und hat der Schuldner die ihm vom Insolvenzgericht konkret bezeichneten Mängel (vgl. BGHZ 156, 92, 94) nicht beseitigt, so ist der Stundungsantrag entweder schon unzulässig oder unbegründet. Reichen sie aus, kann dem Schuldner ein Verstoß gegen eine Auskunftsund Mitwirkungspflicht nicht deshalb vorgeworfen werden, weil er die gerichtliche Anordnung einer ergänzenden Stellungnahme nicht befolgt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 20. März 2003 -IX ZB 388/02, NJW 2003, 2167).

2.Nach dem bisherigen Sachstand ist der Stundungsantrag weder unzulässig noch unbegründet.

a) Ein zulässiger Antrag auf Stundung gemäß § 4a InsO setzt voraus, daß der Schuldner dem Insolvenzgericht in substantiierter, nachvollziehbarer Form darlegt, daß sein Vermögen voraussichtlich zur Deckung der anfallenden Kosten nicht ausreicht. Für den Abschnitt des Insolvenzverfahrens müssen die in § 54 InsO genannten Kosten gedeckt sein. Ebensowenig wie für den Eröffnungsantrag (vgl. hierzu BGHZ 153, 205, 207) ist eine Schlüssigkeit im technischen Sinne zu verlangen. Die umfassende Auskunftspflicht des Schuldners setzt erst ein, wenn er einen zulässigen Antrag eingereicht hat (§ 20 Abs. 1 Satz 1 InsO). Vorher besteht auch keine Amtsermittlungspflicht des Gerichts (BGH aaO).

b) Genügt der Antrag diesen Mindestanforderungen, ist er mithin zulässig, kann er dennoch nur Erfolg haben, wenn der Schuldner dem Insolvenzgericht sämtliche Angaben macht, die dieses zur Beurteilung benötigt, ob das Schuldnervermögen zur Kostendeckung nicht ausreichen wird (BGHZ 156, 92, 93 f; BGH, Beschl. v. 22. April 2004 -IX ZB 64/03, ZVI 2004, 281; v. 4 November 2004 -IX ZR 70/03, ZInsO 2004, 1307, 1308). Die Fragestellung, über die das Gericht zu entscheiden hat, entspricht derjenigen des § 26 Abs. 1 Satz 1 InsO (BGH, Beschl. v. 4. November 2004 -IX ZR 70/03, aaO). Aus § 20 Abs. 1 Satz 1 InsO folgt, daß der Schuldner dem Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren umfassende Auskünfte über seine Vermögensverhältnisse erteilen, insbesondere ein Verzeichnis seiner Gläubiger und Schuldner vorzulegen und eine geordnete Übersicht seiner Vermögensgegenstände einzureichen hat. Die Anforderungen an die Begründung eines Stundungsantrags sind an diesem Maßstab auszurichten (BGHZ 156, 92, 93 f). Deckungsgleich sind sie jedoch nicht (Ahrens NZI 2003, 558, 559). Andernfalls könnte das Anliegen des Gesetzgebers vereitelt werden, durch die Gewährung der Verfahrenskostenstundung mittellosen Personen den raschen und unkomplizierten Zugang zu dem Insolvenzverfahren unter zumutbaren Bedingungen zu ermöglichen (BGH, Beschl. v. 25. September 2003 -IX ZB 459/02, NZI 2003, 665, 666; v. 16. Dezember 2004 -IX ZB 72/03, z.V.b.). Entsprechen die Angaben des Schuldners dem, was er als Auskunft nach § 20 Abs. 1 Satz 1 InsO schuldet, so hat er in der Regel auch für die Gewährung der Stundung gemäß § 4a InsO ausreichend vorgetragen (BGHZ 156, 92, 93 f; BGH, Beschl. v. 4. November 2004 -IX ZR 70/03, aaO). Umgekehrt können Angaben, die für eine Verfahrenseröffnung noch der Ergänzung bedürfen, bereits für die Gewährung der Verfahrenskostenstundung genügen. Denn in diesem Verfahrensstadium ist lediglich eine summarische Prüfung erforderlich; stellt sich später heraus, daß die Stundung zu Unrecht bewilligt worden ist, hat das Gericht diese gemäß § 4c InsO aufzuheben (BT-Drucks. 14/5680 S. 20 ff). Dies haben die Insolvenzgerichte zu beachten, wenn sie noch Aufklärungsbedarf sehen. Dem Schuldner darf nicht durch übersteigerte Informationsauflagen die Verfahrenskostenstundung erschwert werden.

Ein Recht -und bei einem (trotz etwaiger Lücken und Widersprüche) zulässigen Antrag auch eine Pflicht -zur Nachfrage hat das Insolvenzgericht, wenn der Antrag Lücken oder Widersprüche aufweist. Gegebenenfalls hat das Insolvenzgericht die Mängel konkret zu bezeichnen und dem Schuldner aufzugeben, binnen angemessener Frist Darlegung und Nachweise zu ergänzen (BGH, Beschl. v. 4. November 2004 -IX ZR 70/03, aaO). Es ist jedoch nicht angezeigt, die Ursachen der Insolvenz im einzelnen aufzuklären, bevor über den Stundungsantrag entschieden wird. Wenn aufgrund eines in sich stimmigen Stundungsantrags objektiv keine Zweifel bestehen, daß der Antragsteller voraussichtlich nicht in der Lage ist, die anfallenden Kosten zu decken, hat das Insolvenzgericht nicht zu prüfen, wie es dazu kommen konnte, daß der Schuldner derart verarmt ist. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte hat es außerdem davon auszugehen, daß der Schuldner redlich ist und seine Angaben wahrheitsgemäß und vollständig gemacht hat (vgl. BGHZ 156, 139, 147 zur Restschuldbefreiung).

b) Im allgemeinen hat das Insolvenzgericht einen im Wege der Rechtsbeschwerde nur begrenzt überprüfbaren Beurteilungsspielraum, wenn es vor der Frage steht, ob vor der Entscheidung über das Stundungsgesuch weitere Umstände aufzuklären sind. Im vorliegenden Fall ist in den Vorinstanzen der Rahmen dessen, was von dem Schuldner an Auskünften verlangt werden kann, jedoch grundsätzlich verkannt worden.

Der Antrag der Schuldnerin weist keine Lücken oder Widersprüche auf. Es ist nicht ersichtlich, welcher Zusammenhang zwischen den vom Insolvenzgericht verlangten Angaben und den Voraussetzungen bestehen soll, die § 4a Abs. 1 InsO für die Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens aufstellt. Die sich im wesentlichen in allgemeinen Wendungen erschöpfenden Ausführungen der Vorinstanzen, die den erforderlichen Bezug zum konkreten Einzelfall vermissen lassen, belegen dies nicht. Das sich an den Erlaß der angefochtenen Entscheidung anschließende weitere Verfahren des Insolvenzgerichts ergibt vielmehr, daß dieses Gericht die verlangte Auskunft nicht für erforderlich hält, um über den Antrag der Schuldnerin nach § 26 Abs. 1 InsO zu entscheiden. Denn es hat sie aufgefordert, einen Vorschuß zur Deckung der Verfahrenskosten zu leisten. Folglich hält es den Eröffnungsantrag der Schuldnerin für zulässig und -von der fehlenden Massekostendeckung abgesehen – für begründet (vgl. HK-InsO/Kirchhof, 3. Aufl. § 26 Rn. 16; s. auch BGHZ 153, 205, 207). Die Fragestellung, über die das Gericht im Rahmen des § 4a Abs. 1 Satz 1 InsO zu entscheiden hat, entspricht jedoch derjenigen des § 26 Abs. 1 Satz 1 InsO. Der Umstand, daß das Gericht von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 InsO ausgeht, belegt daher, daß es zuvor der Schuldnerin Auskünfte abverlangt hat, die für die Gewährung der Kostenstundung schlechterdings keine Bedeutung haben können. Dies hat das Landgericht rechtsfehlerhaft gebilligt.

Die Sache ist an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen erneut über den Stundungsantrag entschieden wird.

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