BGH IX ZB 168/09
Beschluss vom 10.03.11
Fassung InsO vor 01.07.14
Wer spielt
Gläubiger stellt Versagungsantrag. Schuldner gewinnt. Potsdam
Um was es geht
- Erbschaft verheimlichen
- verheimlichen
- unterlassene Mitteilung
- Umgehung Halbteilungsgrundsatz
- Annahme Vermächtnis
- Geltendmachung Pflichtteil
Verlauf
Die Mutter des Schuldners stirbt am 06.04.05, während der Schuldner die sogenannte Wohlverhaltensphase durchläuft.
Der Schuldner wird nicht Erbe aber ein Vermächtnis wird im zugewandt. Die Schuldner erklärt, er habe weder den Pflichtteil noch das Vermächtnis geltend gemacht; von dem Vermächtnis habe er erst durch den Treuhänder erfahren.
Die Gläubigerin beantragt die Versagung der Restschuldbefreiung am 15.07.08.
Ergebnis
Der Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs stellt ebenso wie die Ausschlagung einer Erbschaft oder der Verzicht auf ein Vermächtnis keine Obliegenheitsverletzung dar.
Die Möglichkeit, den Halbteilungsgrundsatz zu umgehen, indem der Schuldner das Vermächtnis erst nach Ablauf der sogenannten Wohlverhaltensperiode annimmt, wird in Kauf genommen.
Wenn der Insolvenzschuldner den Pflichtteil erst nach diesem Zeitpunkt geltend macht, tritt diese Folge ebenfalls ein.
Eine Pflicht zur unaufgeforderten Mitteilung über eine Erbschaft, ein Vermächtnis oder einen Pflichtteilsanspruch besteht nicht, solange der Schuldner seine Entscheidungsmacht zur Annahme bzw. zur Geltendmachung (noch) nicht ausgeübt hat.
§ 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO
“(…) Der Schuldner hat die Obliegenheit nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht verletzt. (…)
Zu dem von Todes wegen erworbenen Vermögen gehören neben einer Erbschaft auch ein Pflichtteilsanspruch und ein Anspruch aus einem Vermächtnis. Eine Erbschaft und ein Vermächtnis können jedoch ausgeschlagen werden, und von der Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs kann abgesehen werden. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats, die dem Beschwerdegericht noch nicht bekannt sein konnte, stellt der Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs ebenso wie die Ausschlagung einer Erbschaft oder der Verzicht auf ein Vermächtnis keine Obliegenheitsverletzung dar. Die Entscheidung über die Ausschlagung einer Erbschaft und über die Geltendmachung des Pflichtteils ist höchstpersönlicher Natur. Der persönliche Charakter dieser Entscheidungen ist auch in der Wohlverhaltensperiode zu beachten und darf nicht durch einen mittelbaren Zwang zur Annahme der Erbschaft oder zur Geltendmachung des Pflichtteils unterlaufen werden, der sich ergäbe, wenn man schon die Erbausschlagung selbst oder den Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteils als Obliegenheitsverletzung im Sinne von § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO ansähe (…).
Bezüglich des Vermächtnisses kann im Ergebnis nichts anderes gelten. Zwar ist der Anspruch des Schuldners aus dem Vermächtnis nicht verjährt, weil noch die Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. nach Maßgabe der Überleitungsbestimmung in Art. 229 § 23 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 EGBGB gilt. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts hat der Schuldner das Vermächtnis aber bisher nicht angenommen. Erst mit der Annahme des Vermächtnisses entsteht die Obliegenheit des Schuldners aus § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO, die Hälfte des Werts des Vermächtnisses an den Treuhänder abzuführen.
Die dadurch für den Schuldner bestehende Möglichkeit, den Halbteilungsgrundsatz zu umgehen, indem er das Vermächtnis erst nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode annimmt, muss in Kauf genommen werden. Macht der Schuldner den Pflichtteil erst nach diesem Zeitpunkt geltend, tritt diese Folge ebenfalls ein (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2009 – IX ZB 72/09, ZInsO 2009, 1831 Rn. 10).
Schlichtes Unterlassen
Ein schlichtes Unterlassen stellt dann ein Verheimlichen dar, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln – zur Offenbarung des Vermögensgegenstandes also – besteht (…).
Die Pflicht, einen in der Wohlverhaltensperiode eingetretenen Erbfall unaufgefordert schon zu einem Zeitpunkt anzuzeigen, zu dem die Erbschaft oder ein Vermächtnis noch ausgeschlagen werden kann oder noch nicht feststeht, ob ein Pflichtteilsanspruch geltend gemacht wird, sieht die Insolvenzordnung nicht vor. Im Übrigen könnte die Versagung der Restschuldbefreiung nach § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO auch deshalb nicht auf die unterlassene Mitteilung eines Erbfalls in diesem Zeitraum gestützt werden, weil die Befriedigung der Gläubiger nicht beeinträchtigt ist, solange der Schuldner die Möglichkeit hat, durch Ausübung der ihm persönlich zustehenden Rechte den Vermögenserwerb rückgängig zu machen (§ 2180 Abs. 3, § 1953 Abs. 1 BGB) oder ihn – im Falle eines Pflichtteilsanspruchs – nicht geltend zu machen.
Überraschungen
Die Umgehung des Halbteilungsgrundsatzes ist in bestimmten Konstellationen möglich.
AG Potsdam, Entscheidung vom 13.01.2009 – 35 IN 173/02 -
LG Potsdam, Entscheidung vom 20.04.2009 – 5 T 85/09 -
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