BGH IX ZB 11/13
Beschluss vom 18.07.13
Fassung InsO vor 01.07.14
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bb) Nach der Rechtsprechung des Senats ist in den Verfahren, die nach dem 30. November 2001 eröffnet worden sind, so dass die Laufzeit der Abtretungserklärung mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt, gemäß § 300 Abs. 1 InsO nach Ablauf von sechs Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Antrag auf Restschuldbefreiung zu entscheiden, auch wenn das Insolvenzverfahren noch nicht abschlussreif ist
IX ZB 247/08, IX ZB 209/11, IX ZB 230/09, IX ZB 94/12.
dd) Der Senat hält es fast 12 Jahre nach Einführung des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 2001 für geboten, die Schuldner, über deren Vermögen vor dem 1. Dezember 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, unabhängig vom Verfahrensstand vorzeitig in den Genuss der Restschuldbefreiung kommen zu lassen. Art. 103a EGInsO ist im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG verfassungskonform dahin auszulegen, dass diesen Schuldnern 12 Jahre 13 nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 300 InsO in entsprechender Anwendung der oben zitierten Rechtsprechung
(1) Für den Gesetzgeber lag es außerhalb jeder Vorstellung, dass ein Insolvenzverfahren sich – wie vorliegend – über vierzehn Jahre hinziehen kann. Die Änderung des § 287 Abs. 2 InsO wurde 2001 erst durch den Rechtsausschuss des Bundestages vorgeschlagen. Erklärtes Ziel war die Verkürzung der Wohlverhaltensperiode, weil ein durchschnittlicher Schuldner nicht in der Lage sei, über einen so erheblichen Zeitraum sein Leben an den Pfändungsfreigrenzen auszurichten. Mit der Festlegung des Beginns der Laufzeit der Abtretung auf die Verfahrenseröffnung sollte die für den Schuldner unbefriedigende Situation beseitigt werden, dass sich in Einzelfällen das Insolvenzverfahren über einen Zeitraum von “zwei” Jahren erstreckte, ohne dass nennenswerte Vermögenswerte des Schuldners feststellbar wären oder er für diese Verfahrensverzögerung verantwortlich wäre. Auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten sei es kaum vermittelbar, wenn in ähnlich gelagerten Fällen ein Schuldner deutlich später in das Restschuldbefreiungsverfahren gelange als ein vergleichbarer anderer. Insofern sei es geboten, die Laufzeit der Abtretung mit einem Ereignis beginnen zu lassen, das einerseits leicht feststellbar, andererseits von der Dauer des Insolvenzverfahrens, die teilweise auch durch die Gerichtsbelastung beeinflusst werde, unabhängig sei (BT-Drucks. 14/6468 S. 8).
Danach sollte ein Schuldner spätestens nach neun Jahren die Restschuldbefreiung erreichen können. Vorliegend ist zwar im Herbst 2012 der Schlusstermin abgehalten und dem Schuldner die Restschuldbefreiung angekündigt worden. Das Insolvenzverfahren ist jedoch bislang nicht aufgehoben oder eingestellt worden, lief also zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung bereits über 13 Jahre. Für die Verfahrensverzögerungen war nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts jedenfalls nicht der Schuldner verantwortlich. Das hat zur Folge, dass unter Anwendung des alten Rechts der Schuldner Restschuldbefreiung frühestens im Juli 2020 erlangen könnte, mithin mehr als 21 Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
(…) (IX ZA 35/10, NZI 2011, 25 Rn. 3)
(…)
Nachdem seit dieser Entscheidung weitere zwei Jahre verstrichen sind, hält er nunmehr unter den eingangs genannten Voraussetzungen eine willkürliche Ungleichbehandlung der Schuldner der Altverfahren zu den Schuldnern der erst ab 1. Dezember 2001 eingeleiteten Insolvenzverfahren erreicht, die dazu zwingt, die Überleitungsvorschrift in diesen Fällen verfassungskonform einschränkend auszulegen.
Daher ist einem Altschuldner fortan 12 Jahre nach Insolvenzeröffnung gemäß § 300 InsO nach Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Insolvenzverwalters oder des Treuhänders und des Schuldners die Restschuldbefreiung zu erteilen, sofern – sollte das Insolvenzverfahren noch nicht aufgehoben oder eingestellt sein – ihm die Restschuldbefreiung nicht nach § 290 InsO oder – sollte er sich bereits in der Wohlverhaltensperiode befinden – nach §§ 295 ff InsO zu versagen ist.
AG Straubing, Entscheidung vom 17.11.2011 – IN 8/99 -
LG Regensburg, Entscheidung vom 15.01.2013 – 2 T 469/12