AnwZ(Brfg) 11/15
Beschluss vom 03.06.15
Fassung InsO vor 01.07.14
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 9. Februar 2015 wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Der Kläger beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung.
II.
Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO) liegen nicht vor.
1. Der Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (Senatsbeschlüsse vom 10. Februar 2015 – AnwZ (Brfg) 55/14, juris Rn. 4 und vom 16. März 2015 – AnwZ (Brfg) 47/14, juris Rn. 3; jeweils m.w.N.). Entsprechende Zweifel vermag der Kläger mit seiner Antragsbegründung nicht darzulegen.
a) Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird kraft Gesetzes unter anderem dann vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet worden ist. Letzteres ist hier der Fall. Über das Vermögen des Klägers hat das Amtsgericht B. am 10. Februar 2014 (IN ) das Insolvenzverfahren eröffnet. Die anschließende Freigabe der selbständigen Tätigkeit des Klägers nach § 35 Abs. 2 InsO durch den Insolvenzverwalter vom 19. Februar 2014 ist insoweit ohne Bedeutung. Vielmehr ist die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls im Fall eines Insolvenzverfahrens erst dann widerlegt beziehungsweise können die Vermögensverhältnisse wieder als geordnet angesehen werden, wenn dem Schuldner entweder durch Beschluss des Insolvenzgerichts die Restschuldbefreiung angekündigt wurde (§ 291 InsO a.F. bzw. § 287a InsO n.F.) oder ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan (§ 248 InsO) oder angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308 InsO) vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit wird (st. Senatsrspr.; vgl. nur Beschlüsse vom 4. April 2012 – AnwZ (Brfg) 62/11, juris Rn. 4; vom 21. Mai 2012 – AnwZ (B) 6/11, juris Rn. 6; vom 11. Juni 2012 – AnwZ (Brfg) 20/12, juris Rn. 4 und vom 16. März 2015, aaO Rn. 4; jeweils m.w.N.). Dies war zum maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens (siehe hierzu Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 – AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff. und vom 4. April 2012, aaO) – d.h. im Fall des Klägers am 19. Mai 2014 – nicht der Fall. Hieran hat sich im Übrigen bis heute nichts geändert.
Der Kläger meint demgegenüber, die Beklagte könne sich auf die gesetzliche Vermutung nicht berufen, “denn es war letztendlich das rechtswidrige Verhalten der Beklagten selbst, welches dazu führte, dass seitens des Finanzamts ein Insolvenzantrag gestellt wurde”. Insoweit wirft der Kläger der Beklagten vor, sie habe ihm in der Zeit von Januar 2007 bis Mitte April 2010 die Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft rechtswidrig verweigert, was dazu geführt habe, dass das Finanzamt eine Ratenzahlungsvereinbarung widerrufen habe.
Diese Rüge ist bereits vom Tatsächlichen her nicht verständlich. Der Kläger – dem vormals bereits zweimal die Zulassung wegen Vermögensverfalls widerrufen worden ist – hat zwar im Januar 2007 seine Wiederzulassung beantragt. Dies hat die Beklagte mit Bescheid vom 11. Juli 2007 wegen Unwürdigkeit (§ 7 Nr. 5 BRAO) abgelehnt. Im anschließenden Klageverfahren hat der Senat mit Beschluss vom 21. Juli 2008 (AnwZ (B) 12/08) diese Entscheidung der Kammer aber bestätigt. Eine Verfassungsbeschwerde des Klägers blieb erfolglos (1 BvR 2520/08, Beschluss vom 3. November 2008). Der Kläger hat dann unter dem 28. Januar 2009 erneut Antrag auf Wiederzulassung gestellt. Der ablehnende – wieder auf § 7 Nr. 5 BRAO gestützte – Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2009 hatte diesmal im gerichtlichen Verfahren nach Maßgabe des Senatsbeschlusses vom 8. Februar 2010 (AnwZ (B) 96/09) keinen Bestand, worauf die Beklagte den Kläger am 15. April 2010 wieder zur Rechtsanwaltschaft zugelassen hat. Soweit man aus diesem Ablauf gegenüber der Beklagten den Vorwurf erheben könnte, den Kläger nicht bereits am 11. Mai 2009, sondern erst am 15. April 2010 zugelassen zu haben, ist für den Senat schon nicht nachvollziehbar, inwiefern hierauf die spätere Insolvenz des Klägers zurückzuführen sein soll. Aus den vom Kläger im Wiederzulassungsverfahren vorgelegten Mitteilungen des Finanzamts B. ergibt sich, dass zwischen dem Kläger und dem Finanzamt am 24. Mai 2006 eine Vereinbarung geschlossen wurde, nach der vom Kläger zur Abtragung seiner Steuerschuld 500 € pro Monat zu zahlen waren. Diese Vereinbarung hat der Kläger auch in der Zeit, nachdem der Widerruf seiner Zulassung wegen Vermögensverfalls durch Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2004 im Laufe des Jahres 2006 bestandkräftig geworden ist, eingehalten. Der Kläger war in der Folgezeit in der Lage, auch ohne Zulassung die Raten zu bedienen. Dass die Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Finanzamt wegen der Nichtzulassung in dem o.a. Zeitraum gescheitert sein soll, und dies die Ursache für das zeitlich viel spätere Insolvenzverfahren des Klägers war, erschließt sich dem Senat nicht und stellt letztlich nur eine pauschale und nicht ausreichend substantiierte Behauptung des Klägers dar.
Abgesehen davon übersieht der Kläger bei seiner Argumentation, dass durch § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO nicht die persönlichen Interessen der Beklagten, sondern die Interessen der Rechtsuchenden geschützt sind. Es geht mithin nicht darum, dass sich gegebenenfalls eine Partei nach Treu und Glauben nicht auf bestimmte Rechtsfolgen berufen kann, die sie rechtswidrig herbeigeführt hat. Liegen die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vor, muss die Rechtsanwaltskammer die Zulassung im Interesse der Rechtsuchenden widerrufen. Hierbei spielt es keine Rolle, welche Gründe zum Vermögensverfall geführt haben, insbesondere auch nicht, ob der Rechtsanwalt seinen Vermögensverfall verschuldet hat (st. Senatsrspr.; vgl. nur Beschlüsse vom 31. Mai 2010 – AnwZ (B) 54/09, juris Rn. 10 und vom 4. Juli 2014 – AnwZ (Brfg) 23/14, juris Rn. 7; jeweils m.w.N.).
b) Der Kläger macht ferner geltend, dass es an einer Gefährdung der Interessen Rechtsuchender mangele. Dies sieht der Senat – in Übereinstimmung mit dem Anwaltsgerichtshof – anders. Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Im vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden kann diese nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt die Feststellungslast trifft (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 5. September 2012 – AnwZ (Brfg) 26/12, NJW-RR 2013, 175 Rn. 5; vom 4. Januar 2014 – AnwZ (Brfg) 62/13, juris Rn. 5 f. und vom 16. März 2015, aaO Rn. 5). Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt jedoch zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (st. Senatsrspr.; vgl. nur Beschlüsse vom 4. April 2012, aaO Rn. 6; vom 5. September 2012, aaO und vom 16. März 2015, aaO Rn. 6; jeweils m.w.N.). Eine solche Ausnahmesituation ist hier nicht gegeben. Der Kläger ist nach wie vor als Einzelanwalt tätig. Mit seinem Vortrag zu den von ihm ergriffenen Maßnahmen, mit denen der Eingang von Fremdgeld vermieden werden soll, vermag er nicht durchzudringen. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 31. Mai 2010, aaO Rn. 8; vom 4. Januar 2014, aaO Rn. 6 und vom 16. März 2015, aaO Rn. 6). Eine Gefährdung der Interessen Rechtsuchender wird auch durch die Freigabe der selbständigen Tätigkeit durch den Insolvenzverwalter weder ausgeschlossen noch vermindert (st. Senatsrspr.; vgl. nur Beschlüsse vom 4. Januar 2014, aaO Rn. 8 und vom 16. März 2015, aaO Rn. 7). Abgesehen davon erfordert die Annahme eines Ausnahmetatbestands neben dem Vorliegen der angesprochenen – hier nicht gegebenen – Voraussetzungen auch, dass der Rechtsanwalt seinen Beruf bisher ohne jede Beanstandung (“tadellos”) geführt hat (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2010 – AnwZ (B) 21/10, juris Rn. 13 und vom 4. April 2012, aaO Rn. 6 und 8; jeweils m.w.N.). Auch daran fehlt es. Der Kläger wurde 1989, 1992 und 1994 wegen Untreuehandlungen zum Nachteil von insgesamt 47 Mandanten dreimal rechtskräftig zu Geld- und Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt (siehe Senatsbeschluss vom 25. Januar 1999 – AnwZ (B) 47/98).
c) Zu Unrecht rügt der Kläger, im angefochtenen Urteil fehle eine hinreichende Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Aspekten, insbesondere dem Eingriff in sein Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG. Die gesetzliche Regelung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO steht im Einklang mit dem Grundgesetz und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (st. Senatsrspr.; vgl. nur Beschlüsse vom 11. Februar 2014 – AnwZ (Brfg) 79/13, juris Rn. 2 f. und vom 22. Mai 2014 – AnwZ (Brfg) 15/14, juris Rn. 7; siehe auch BVerfG, NJW 2005, 3057 zur Parallelregelung in § 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO). Da der Widerruf der Zulassung die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO erfüllt, stellt auch der konkrete Entzug der Zulassung des Klägers keine Grundrechtsverletzung dar.
2. Der Zulassungsgrund besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) setzt voraus, dass die Rechtssache wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zu Grunde liegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich damit von den üblichen verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen deutlich abhebt (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 28. Oktober 2011 – AnwZ (Brfg) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 9 f. und vom 22. Mai 2014 – AnwZ (Brfg) 75/13, juris Rn. 15; jeweils m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Die Rechtssache als solche wirft nach Maßgabe der Ausführungen zu II 1 keine komplexen Tatsachen- oder Rechtsfragen auf, die ihre Beurteilung erschweren. Die Rechtslage ist in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO eindeutig geregelt. Gegen die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung bestehen, wie ausgeführt, keine Bedenken.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO. Soweit der Kläger meint, der Streitwert sei – abweichend vom Regelstreitwert von 50.000 € (§ 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO) – nach § 194 Abs. 2 Satz 2 BRAO mit maximal 10.000 € zu bemessen und sich hierzu auf den Senatsbeschluss vom 18. November 1996 (AnwZ (B) 25/96, BRAK-Mitt. 1997, 39) beruft, geht dieser Verweis fehl. Zwar hat der Senat in dieser Entscheidung, die den Widerruf der Zulassung eines im Jahre 1911 geborenen Rechtsanwalts nach § 14 Abs. 2 Nr. 10 BRAO a.F. (jetzt Nr. 9) betraf, den Streitwert auf 20.000 DM festgesetzt. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, dass diese Abweichung vom Regelstreitwert “im Hinblick auf das hohe Alter des Beschwerdeführers und den infolgedessen nur geringen Umfang seiner Anwaltstätigkeit, die er inzwischen ganz eingestellt haben will”, gerechtfertigt erscheine. Ein solcher Sachverhalt liegt im Falle des Klägers aber nicht vor. Für eine Reduzierung des Regelstreitwerts sieht der Senat daher keinen Anlass.
Kayser Lohmann Seiters Quaas Schäfer Vorinstanz:
AGH München, Entscheidung vom 09.02.2015 – BayAGH I – 1 – 10/14 -