BGH IX ZB 186/05
Beschluss vom 01.12.05
Fassung InsO vor 01.07.14
Wer spielt
Um was es geht
Verlauf
Ein Gläubiger beantragte im Jahre 2003 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Das Insolvenzgericht wies den Schuldner darauf hin, dass er einen Antrag auf Restschuldbefreiung nur dann stellen könne, wenn er selbst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beantrage. Später wies das Gericht den Gläubigerantrag mangels Masse rechtskräftig ab.
Nunmehr hat der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen sowie die Gewährung von Restschuldbefreiung und Stundung der Kosten des Verfahrens beantragt. Diese Anträge hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist erfolglos geblieben. Hiergegen wendet sich der Schuldner mit seiner Rechtsbeschwerde.
Ergebnis
Der Wiedereinsetzungsantrag des Schuldners geht ins Leere, weil der angefochtene Beschluss nach Lage der Akten nicht zugestellt worden ist.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 7 InsO statthafte und nach § 574 Abs. 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen.
1. Das Amtsgericht hat die Zurückweisung der Anträge damit gerechtfertigt, der Restschuldbefreiungsantrag sei “gem. § 20 Abs. 2 i.V.m. § 287 Abs. 1 S. 2 InsO” unzulässig, weil der Schuldner in dem auf Gläubigerantrag anhängig gewesenen Insolvenzeröffnungsverfahren keine eigenen Anträge gestellt habe. Der Eröffnungsantrag sei mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig, der Stundungsantrag mangels Erfolgsaussicht der Hauptanträge zurückzuweisen. Das Landgericht hat sich dieser Begründung angeschlossen.
2. Diesen Erwägungen kann nicht gefolgt werden.
a) Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist der Restschuldbefreiungsantrag nicht deshalb unzulässig, weil die nicht verlängerbare Zwei-Wochen-Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO bereits in dem früheren Insolvenzeröffnungsverfahren abgelaufen war. Wie der Senat bereits entschieden hat, kann diese Frist durch den Hinweis nach § 20 Abs. 2 InsO erst in Lauf gesetzt werden, wenn der Schuldner einen Eigenantrag auf Insolvenzeröffnung gestellt hat (BGH, Beschl. v. 8. Juli 2004 – IX ZB 209/03, WM 2004, 1740, 1742; v. 17. Februar 2005 – IX ZB 176/03, WM 2005, 698, 699, z.V.b. in BGHZ). Da der Schuldner in dem früheren Verfahren keinen Eigenantrag gestellt hatte, konnte die Zwei-Wochen-Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht in Lauf gesetzt werden.
b) Unter diesen Umständen trägt der Hinweis auf die Abweisung des Fremdantrags mangels Masse nicht die Annahme der Vorinstanzen, dem Schuldner ermangele es an einem Rechtsschutzbedürfnis für seinen nunmehr gestellten Eigenantrag. Denn nach der in § 4a Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 26 Abs. 1 Satz 2 InsO zum Ausdruck gekommenen gesetzlichen Wertung steht dieser Gesichtspunkt einem Interesse des Schuldners an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedenfalls dann nicht entgegen, wenn er – wie hier – einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hat. Damit verfolgt er eines der in § 1 InsO anerkannten Verfahrensziele.
c) Damit ist zugleich der Hauptbegründung für die Zurückweisung des Stundungsantrags der Boden entzogen.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts in Nummer 5 seines Nichtabhilfebeschlusses vom 27. August 2004 kann der Stundungsantrag auch nicht unter Hinweis auf § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO zurückgewiesen werden. Zwar ist die Stundung auch dann ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift bereits im Stundungsverfahren zweifelsfrei gegeben sind (BGH, Beschl. v. 16. Dezember 2004 – IX ZB 72/03, WM 2005, 472, 473; v. 27. Januar 2005 – IX ZA 20/04, n.v., zitiert nach Juris). Die vom Amtsgericht zur Begründung herangezogenen “Steuererklärungsabgabeversäumnisse des Schuldners” erfüllen den Versagungstatbestand in § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO aber nicht. Danach ist erforderlich, dass der Schuldner schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse macht. Den Feststellungen der Vorinstanzen kann nicht entnommen werden, dass der Schuldner hier schriftlich unzutreffende Erklärungen gegenüber den Finanzbehörden abgegeben hat (vgl. BGH, Beschl. v. 22. Mai 2003 – IX ZB 456/02, WM 2003, 1382, 1383; OLG Köln NZI 2001, 205 f; HK-InsO/Landfermann, 3. Aufl. § 290 Rn. 5; MünchKomm-InsO/Stephan, § 290 Rn. 35).
3. Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 577 Abs. 3 ZPO):
Zwar hatte der Schuldner, auch wenn die Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht in Lauf gesetzt worden war, im Erstverfahren Gelegenheit, einen Restschuldbefreiungsantrag verbunden mit einem Eigenantrag zu stellen. Dies kann ihm aber jedenfalls dann nicht entgegengehalten werden, wenn der dem vorangegangenen Verfahren zugrunde liegende Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen wurde.
Nach einer in der Literatur geäußerten Auffassung findet eine an eine unterlassene Antragstellung geknüpfte Präklusion für ein neues Verfahren generell nicht statt (Pape in Kübler/Prütting, InsO § 20 Rn. 96; Uhlenbruck/ Vallender, InsO 12. Aufl. § 287 Rn. 19; MünchKomm-InsO/Schmahl, § 20 Rn. 99; Fuchs NZI 2002, 298, 301). In der Rechtsprechung ist ein Rechtsschutzinteresse des Schuldners an der Durchführung eines erneuten Verfahrens mit dem Ziel der Restschuldbefreiung jedenfalls für den Fall angenommen worden, dass das Erstverfahren gemäß § 207 InsO eingestellt worden ist; auf die Frage, ob seither neue zusätzliche Forderungen gegen den Schuldner entstanden seien, komme es hierfür nicht an (AG Göttingen ZVI 2005, 278, 279 m. zust. Anm. Hackenberg ZVI 2005, 468, 470 f). Demgegenüber wurden die Anträge des Schuldners auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sowie auf Restschuldbefreiung als unzulässig angesehen, wenn zuvor ein Insolvenzverfahren, in dem der Schuldner keinen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hatte, aufgehoben worden war und keine neuen Verbindlichkeiten hinzugetreten waren (LG Koblenz ZVI 2005, 91).
Jedenfalls in dem hier gegebenen Fall, in dem ein früher gestellter Fremdantrag mangels Masse abgewiesen worden ist, kann dem Schuldner ein Rechtsschutzinteresse an der Durchführung eines Insolvenzverfahrens nicht abgesprochen werden. Aus dem Gesetz ergeben sich für eine solche Präklusion keine Anhaltspunkte (vgl. Uhlenbruck/Vallender, aaO § 287 Rn. 19). In dem früheren Verfahren hat das Insolvenzgericht den Schuldner zwar darauf hingewiesen, dass er einen Antrag auf Restschuldbefreiung nur dann stellen könne, wenn er selbst auch die Eröffnung des Verfahrens beantrage. Mit diesen Anträgen hätte der Schuldner aber eine Restschuldbefreiung in dem früheren Verfahren nicht erreichen können. Denn auch ein eigener Eröffnungsantrag hätte gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 InsO mangels Masse abgewiesen werden müssen. Zwar hätte der Schuldner gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 InsO dieses Ergebnis unter Umständen mit einem Antrag auf Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens gemäß § 4a Abs. 1 Satz 1 InsO verhindern können. Das Gesetz sieht aber einen Zwang zur Stellung eines Stundungsantrags nicht vor. Auf diesen Antrag bezieht sich auch nicht die Fristsetzung gemäß § 20 Abs. 2, § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO.
4. Die Sache ist an das Amtsgericht (zu dieser Möglichkeit vgl. BGHZ 160, 176, 185) zurückzuverweisen, damit erneut über die Anträge des Schuldners entschieden wird.
Überraschungen
keine
AG Hamburg, Entscheidung vom 11.08.2004 – 67 c IN 300/04 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 15.02.2005 – 326 T 80/04 -